Wenn in der Läufigkeit nichts läuft

Die Läufigkeit ist für viele Hündinnen eine sehr belastende Zeit. In diesen Wochen verdienen sie viel Aufmerksamkeit, Unterstützung und Rücksichtnahme.

Vor kurzem habe ich auf Facebook ein Plädoyer gegen die frühe Kastration von Hündinnen gelesen. Der Grundtenor war, dass das frühe Kappen der Hormonproduktion dazu führt, dass die Junghündin nicht zu einer erwachsenen Hündin heranreifen kann. Illustriert wurde der Artikel mit Fotos einer intakten Hündin im Alter von einem und zwei Jahren. Der Unterschied im Körperbau war bemerkenswert: die Knochenstruktur, die Muskulatur – alles so viel kräftiger. Da haben Hormone ganze Arbeit geleistet.

Bei Emma war das genauso: Mit den ersten drei Läufigkeiten sind enorme Entwicklungsschübe einhergegangen – nicht nur im Körperbau, auch im Kopf. Ich will hier jetzt aber keine Diskussion pro/contra Kastration anfachen. Ich will einfach nur um Verständnis für läufige Hündinnen werben.

Menstruation und Läufigkeit unterscheiden sich wesentlich

Auf den ersten Blick könnte man meinen, die Menstruation einer Frau und die Läufigkeit einer Hündin seien so ziemlich das Gleiche. Das Gegenteil ist der Fall.

Eine Hündin wird in aller Regel alle sechs bis sieben Monate läufig, eine Frau bekommt ihre Regelblutung +/- alle 28 Tage. Für manche Frauen und manche Hündinnen ist das keine große Sache, für andere eine vorübergehende Unpässlichkeit. Aber es gibt viele, die massiv unter den hormonellen Veränderungen leiden. Sie sind müde, antriebslos, unkonzentriert und haben im schlimmsten Fall auch noch Schmerzen. Diesbezüglich ähneln sich Frau und Hündin.

Vollkommen unterschiedlich ist jedoch, was sich in der Gebärmutter einer Frau und der Gebärmutter einer Hündin abspielt. Gynäkologinnen und Tierärztinnen mögen mir eine laienhafte Ausdrucksweise verzeihen, aber grosso modo lässt sich der Unterschied so erklären (Genaueres findet ihr hier):

Bei der Menstruation einer Frau wird Schleimhaut, die sich in den Wochen davor aufgebaut hat, abgestoßen. Dieser Prozess führt zur Monatsblutung. Nach vier bis sieben Tagen ist das meist vorbei. Bei der Hündin dagegen wächst die Schleimhaut während der Läufigkeit und wird besonders stark durchblutet. Sie wird nicht abgestoßen, sondern umgebaut und mit jeder Läufigkeit etwas dicker. Durch dieses starke Wachstum kommt es zu minimalen Verletzungen der Blutgefäße in der Schleimhaut – und das ist es, was wir als Läufigkeitsblutung sehen. Dieser Umbau der Gebärmutter dauert +/- 21 Tage und kann für die Hündin sehr belastend sein.

Anschließend an die Läufigkeit wird jede Hündin scheinträchtig. Das ist von der Natur so vorgesehen. Bei einem wild lebenden Rudel hätte die Mutterhündin vielleicht eine „Amme“ gebraucht. Dafür sollten andere Hündinnen bereit sein. Bei den meisten unserer heutigen Hündinnen ist davon nicht viel zu bemerken, für andere ist es die schwierigere Phase im hormonellen Rollercoaster. Diese Scheinträchtigkeit dauert genau so lang wie eine Trächtigkeit dauern würde – also 9 Wochen. Mache Hündinnen bauen Nesterl in Erwartung ihrer Welpen, manche bekommen sogar Milch.

Tierärzte berücksichtigen die Läufigkeit

Ich kenne viele Hundeführer und auch Hundeführerinnen, die meinen, eine Hündin müsste auch während der Läufigkeit genauso arbeiten wie an anderen Tagen des Jahres.

Unsere Tierärzte sehen das anders und berücksichtigen die hormonellen Veränderungen im Rahmen der Behandlungen. Geimpft werden sie während der Läufigkeit nicht – frühesten zwei Wochen danach. Auch mit Entwurmung und Zeckenmittel warten wir zu, um die Körper unserer Hündinnen nicht zu sehr zu belasten

Auch bei Röntgenuntersuchungen der Gelenke empfehlen Experten das Ende der Läufigkeit plus ein Monat abzuwarten (sofern die medizinische Indikation das erlaubt). Emmas Tochter Polly ist im April ein Jahr alt und rund um ihren Geburtstag erstmals läufig geworden. Mit der Untersuchung ihrer Hüften haben wir auf Anraten des Tierarztes bis Juni gewartet. Während der Läufigkeit würden Bänder und Sehnen hormonell bedingt weicher werden. Das könnte zu falschen Darstellungen am Röntgenbild und falschen Interpretationen führen. Es spricht wohl viel dafür, dass Bänder und Sehnen auch bei nachfolgenden Läufigkeiten weicher und dehnbarer werden und damit die Verletzungsgefahr bei starker Beanspruchung steigt. Für mich auch ein Grund, eine läufige Hündin im Training nicht zu sehr zu fordern.

Die Läufigkeit ist also viel mehr als nur eine Zeit der Blutung, die für uns Menschen ein paar Unannehmlichkeiten mit sich bringt. Für die Hündin bedeutet sie eine massive Beanspruchung des Körpers – und zwar ihr Leben lang. Hündinnen kommen nämlich nie in den Wechsel. Fluch oder Segen, ich weiß es nicht.

Unsere Hündinnen zeigen, wie sie sich in der Läufigkeit fühlen

Wie sehr eine Hündin durch die Läufigkeit in ihrem Wohlbefinden beeinträchtigt wird, ist natürlich sehr individuell. Ich denke, wir HundehalterInnen sind aufgerufen, unsere Mädchen gut zu begleiten und in unserer Fürsorge auf ihre Beschwerden Rücksicht zu nehmen. Manche Hündinnen sind müder als sonst, manche anschmiegsamer. Manche Hündinnen ziehen sich zurück und weisen andere Hunde, die ihnen zu nahe kommen, barsch ab. Es gibt also viel mehr zu beobachten und zu deuten als nur die Blutung oder die Anzeichen der Stehtage.

Emma zum Beispiel lässt sich während der Läufigkeit kaum etwas anmerken. Ihre Schwierigkeiten beginnen immer erst danach, wenn sie scheinträchtig ist. Dann ist ihr Gesäuge geschwollen, sie ist müde, abgeschlagen, desinteressiert und will eigentlich nichts wissen von der Welt.

Dass sich der Sofaschoner so fein über Emma gelegt hat, war natürlich Zufall. Dass sie ihn nicht wegschob, zeigt aber schon, dass sie in der Scheinträchtigkeit gern ihre Ruhe hat.

In dieser Phase mit ihr zu einem Dummy-Training zu gehen, setzt sie nur unter Druck und ist vom Lernaspekt her völlig sinnlos. Im jagdlichen Training ist das anders. Eine Schweißfährte oder eine Freiverlorensuche nach einem Hasen lässt sie alles vergessen.

Wir haben ja gehofft, dass diese Scheinträchtigkeit nach Emmas erstem Wurf verschwindet und nicht wiederkommt. Bei der ersten Läufigkeit war es auch so und unsere Freude groß. Bei der zweiten Läufigkeit ist leider alles wieder wie früher. Sie fühlt sich wie auf dem Bild oben, das ist nicht schön. Nach Beratung mit mehreren Tierärzten, die alle meinten, die Beschwerden würden sich mit jeder weiteren Läufigkeit verstärken, haben wir uns nun für eine Kastration entschieden. So wird das Leben für sie leichter und wir können auch mit Sicherheit eine Gebärmutterentzündung vermeiden.

Ihre Tochter Polly hat die Läufigkeit erst einmal durchlebt und war sichtlich verwirrt, was mit ihr passiert. Sie hat viel mehr Nähe gebraucht und sich angekuschelt, ein bisschen als ob sie Sicherheit suchen würde – aber vielleicht ist das jetzt zu menschlich gedacht. Beschwerden hatte sie keine. Wollen wir mal hoffen, dass das auch so bleibt.

Wie auch immer, eines kann ich mit Sicherheit sagen: Meine Hündinnen fühlen sich anders und verhalten sich anders, wenn sie läufig sind. Ich denke, es ist meine Aufgabe als ihre „Vertrauensperson“, darauf Rücksicht zu nehmen und sie gut durch diese Phasen zu begleiten.

Wie geht ihr mit der Läufigkeit um? Habt ihr Tipps, wie ihr euren Hündinnen durch diese Zeit helft. Dann schreibt sie bitte in die Kommentare. Wer weiß, vielleicht könnt ihr anderen damit helfen.

Autor: Susanne Senft

Mein Name ist Susanne Senft. Ich wohne in Wien und im Waldviertel mit meiner Familie und zwei Labrador-Damen.

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